Die Münzen des Fortschritts: Eine Analyse der Währungsunion 25 Jahre später

Jaime Staengel, Murray State University

"Special Thanks to Faculty Mentor, Dr. Roxane Riegler, Assistant Professor of French and German at Murray State University."

Nicht nur die Deutschen, sondern auch die Welt erinnert sich an den 3. Oktober 1990 wegen seiner Bedeutung als den Anfang der deutschen Einheit. 25 Jahre später, am 3. Oktober 2015, drückte Bundespräsident Joachim Gauck die Realität der Einheit so aus: „Erst allmählich wurde klar, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse und Mentalitäten in Ost und West eine Aufgabe, ein Prozess für Generationen- ja: Plural! – sein würde“ (Gauck). Mit seiner Wortwahl betonte er, dass diese erste Generation nur der Anfang des Vereinigungsprozesses sei. Wirtschaftlicher Fortschritt braucht immer viel Zeit, wie zum Beispiel die Wirtschaft eines Landes nach einer Rezession, die trotz ihres besseren ökonomischen Zustandes noch höhere Arbeitslosigkeit hat. Nicht nur Bundespräsident Gauck, sondern auch der Forscher des Berlin-Institutes Reiner Klingholz ist der Meinung, dass eine komplette Wiedervereinigung mehr Zeit braucht: „Bis die beiden einst getrennten Teile wirklich zusammengewachsen sind, wird es wohl mindestens eine weitere Generation dauern“ (Schäfers).

Da letztes Jahr das 25. Jubiläum der deutschen Einheit war, ist es jetzt der perfekte Zeitpunkt, einen Moment innezuhalten und die deutsche Währungsunion zu analysieren. In diesem Artikel bezieht sich die Währungsunion auf den Zeitpunkt, als die Währung der ehemaligen DDR mit der Währung der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1990 vereinigt wurde. Obwohl es heute noch sowohl politische, ökonomische und soziale Probleme als auch Unterschiede zwischen den neuen und den alten Bundesländern gibt, war die rasche Währungsunion zwischen Ost- und Westdeutschland im Jahr 1990 die beste Alternative für Deutschland. Durch die Analyse von Quellen aus den 90er Jahren, Wirtschaftstheorie und heutigen Konjunktorindikatoren wird der Erfolg der Währungsunion deutlich, weil sich die rasche Währungsunion Deutschlands zu einer höheren Indifferenzkurve bewegt hat und weil die Währungsunion schließlich zu höheren Erwerbsquoten, echtem wirtschaftlichen Wachstum und ökonomischer Stabilität führte.

Zuerst wollen wir die Gegner der raschen Währungsunion zu Wort kommen lassen. Obwohl Deutschland schon vor 25 Jahren vereinigt wurde, stammen die stärksten Kritiken von der Tatsache, dass es immer noch Ungleichheit zwischen den neuen und alten Bundesländern gibt. Der Zeitschrift Wirtschaftsdienst zufolge ist es klar, dass das „Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner [...] in Ostdeutschland 2013 um ungefähr 30% bzw. 20% unter den westdeutschen Vergleichswerten liegt“ (Ragnitz 379). Für das Alltagsleben sind solche Zahlen grundlegend, weil die Einwohner der neuen Bundesländer im Vergleich zu den alten noch immer einen niedrigeren Lebensstandard haben.

Doch nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, sondern auch die Arbeitslosenquote zeigt genau, wie unterschiedlich die wirtschaftliche Lage zwischen den Bundesländern ist. Im Gegensatz zu Westdeutschlands Arbeitslosenquote von durchschnittlich 5,8% liegt die in Ostdeutschland bei 9,3% (Statista.de). Solche ökonomischen Unterschiede werden manchmal von den politischen Auswirkungen der Ungleichheit überschattet, d.h. sie erzeugen soziale Unruhe. 2014 wurde die Gruppe Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) gegründet. Diese Gruppe entstand zum Teil als Reaktion auf den schwächeren ökonomischen Zustand in den neuen Bundesländern. Da auch die Anzahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, wächst, vertreten die Gründer von Pegida das unhaltbare Argument, dass die Flüchtlinge an der höheren Arbeitslosenquote im Osten Schuld seien, indem sie behaupten, dass die Flüchtlinge den Deutschen Arbeitsplätze wegnähmen und das Sozialhilfesystem ausbeuten würden („Immigration Offers Germany Costs and Benefits“). Die Verbindung zwischen der ökonomischen Lage in Ostdeutschland und solchen Gruppen wie Pegida und die Partei Alternative für Deutschland darf man nicht unterschätzen. Beide immigrationsfeindlichen Gruppen sind sehr populär gerade in Ostdeutschland („Immigration Offers Germany Costs and Benefits“). Diese beiden Gruppen haben die negative Stimmung gegen Ausländer und Flüchtlinge in Ostdeutschland erheblich geschürt.

Sieht man das Wachstum Deutschlands nach der Währungsunion im weltweiten Kontext, ist der Fortschritt der Angleichung trotz der noch bestehenden Ungleichheit zwischen den alten und neuen Bundesländern eigentlich unglaublich schnell vor sich gegangen. Obwohl deutsche Kritiker wie Joachim Ragnitz den Fortschritt im eigenen Land als zu langsam wahr nehmen, ist die Kritik aus anderen Ländern normalerweise nicht so negativ, weil diese Leute Deutschland aus der Distanz betrachten. Das Magazin The Economist behauptet: „The remaining east-west divide is now no more pronounced than the socieo-economic fault lines that cross Belgium, Italy, or Spain“ („Germany’s Unification 25 years on“). Am überzeugendsten drückt Karl Brenke diese Idee aus: „Es wäre jedoch irreführend, unter Konvergenz eine völlige Gleichheit aller wirtschaftlichen Indikatoren zu verstehen...Italien und Spanien haben sehr große und anhaltende Unterschiede über Regionen hinweg, die sich seit Jahrhunderten nicht ausgeglichen haben“ (935).

Es gibt noch andere Argumente, die die Währungsunion in Deutschland negativ beurteilen. Eines davon wird von Ernst Baltensperger so erklärt: „A serious cyclical downturn set in at the end of 1992“ (485). Für die neuen Bundesländer bedeutete dieser Abschwung höhere Arbeitslosigkeit. Aber gleichzeitig mit diesem Abschwung sahen die neuen Bundesländer echtes Wirtschaftswachstum (Baltensperger 486). Zweifelsohne war die Situation auf dem Arbeitsmarkt für die betroffenen Menschen während dieser Zeit schwierig, aber trotzdem gab es doch die ersten Hinweise, dass die Währungsunion nicht nur Probleme brachte, sondern auch konkreten Fortschritt.

Es passiert häufig, dass Politiker wirtschaftliche Zusammenhänge ungenügend verstehen und Dinge versprechen, die wirtschaftlich auf kurze Sicht unmöglich sind. Zum Beispiel ist es bekannt, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zu hohe Erwartungen an die Währungsunion hatte:

Nur die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion bietet die Chance und die Gewähr dafür, dass sich die Lebensbedingungen rasch und durchgreifend bessern. Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen [...] wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt (Kohl).  

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates Hans K. Schneider schrieb im Jahr 1990 an den Bundeskanzler: „Es ist wohl unvermeidlich, daß die Einführung der D-Mark bei den Bürgern der DDR die Illusion erwecken muß, mit der Währungsunion sei auch der Anschluß an den Lebensstandard der Bundesrepublik hergestellt“ (Schneider). Diese Aussage eines Fachmannes aus dem Westen bietet heutigen Forschern die Möglichkeit, die Überlegungen zum Thema Währungsunion von damals besser zu verstehen. Obwohl die Deutschen damals an ihren Bundeskanzler glaubten, konnte das Bild von den blühenden Landschaften ihre Erwartungen nicht sofort erfüllen.

Man muss auch die Erfahrungen der ehemaligen DDR-Führungskräfte berücksichtigen. Im selben Jahr befragte Der Spiegel Günter Mittag über seine Erfahrungen als DDR-Sekretär für Wirtschaftsfragen. Er war für alle Aspekte der Planwirtschaft der DDR verantwortlich gewesen. In diesem Gespräch erklärte Mittag genau, wie prekär die Situation in der DDR kurz vor der Währungsunion gewesen war: „Ohne die Wiedervereinigung wäre die DDR einer ökonomischen Katastrophe mit unabsehbaren sozialen Folgen entgegengegangen, weil sie auf Dauer allein nicht überlebensfähig war“ („Es reißt mir das Herz kaputt“). Seine Worte malten ein pessimistisches Bild, an den man erkennen kann, dass die neuen Bundesländer ohne die rasche Währungsunion und die begleitende politische Wiedervereinigung keine Fortschritte gemacht hätten.

Es ist wichtig, dass man die damalige politische Situation genau analysiert. Es war fast unmöglich, eine langsamere Alternative zu erwägen, weil „die Politik mit der schnellen Umsetzung die massive Abwanderung von DDR-Bürgern stoppen“ wollte (Fratzscher 623). Diese Aussage zeigt die politische Notwendigkeit einer raschen Währungsunion und beweist, dass die Regierung damals keine andere Wahl hatte. Ohne die Währungsunion wäre die Abwanderung von Ost nach West noch schlimmer gewesen und dann wäre die heutige Situation in Deutschland noch ungleicher. Nicht nur in der deutschen Fachliteratur, sondern auch in der englischen gibt es mehrere Beispiele von der schwierigen Situation zwischen dem Mauerfall und der Währungsunion: „From the East, among the main slogans of the mass demonstrations, which undermined the old regime, was ‚D-Mark jetzt!‘ and ‚Kommt die D-Mark nicht zu uns, gehen wir zur D-Mark‘ “ (Lange und Pugh 7). Das Wort “Jetzt!” demonstriert die Ungeduld des Volkes. Diese Leute, die nicht bereit für die wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Strategie waren, sahen damals nur die Gelegenheit, einen höhereren Lebensstandard durch die Einführung der D-Mark zu erreichen. Doch das erzeugte höhere Arbeitslosigkeit während des Aufholprozesses. Man muss zugeben, dass die Gegner mit ihrer Prognose der hohen Arbeitslosigkeit Recht behalten hatten. Trotzdem gibt es einen deutlichen Fortschritt und ein Aufholen in den neuen Bundesländern.

Im Großen und Ganzen ist heute die Mehrheit der Fachleute der Meinung, dass die Währungsunion relativ erfolgreich war. Der DIW-Wochenbericht vom Sommer 2015 fasste diese Idee prägnant zusammen: „Nach 40 Jahren Planwirtschaft ist es in vielerlei Hinsicht auch erstaunlich, dass es gelungen ist, die ostdeutsche Wirtschaft neu zu erfinden und den Menschen in den ostdeutschen Ländern eine gute wirtschaftliche Zukunftsperspektive zu eröffnen“ (Brenke et. al 936). Zur Zeit der Währungsunion bekam der Umrechnungskurs viel Kritik. Diese Kritik stammte von der Idee, dass ein höherer Umrechnungskurs die Fabriken in den neuen Bundesländern profitlos machen würde. Die Kritiker hatten wegen des höheren Umrechnungskurses Angst vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der Fabriken in der ehemaligen DDR. Der Umrechnungskurs hatte eine konkrete negative Seite: „Eine Umstellung von 1:1 würde die Wirtschaft der DDR dem internationalen Wettbewerb mit einem Kostenniveau und einer Verschuldung aussetzen, denen die meisten Betriebe nicht gewachsen wären“ (Eisenring). Wegen dieser 1:1 Umstellung mussten die Fabriken in Ostdeutschland umgehend höhere Löhne auszahlen. Jedoch konnten sich die meisten Fabriken solche Löhne nicht leisten. Die Zahl der Arbeitslosen stieg in den 90ern, bis sie ihren Höhepunkt im Jahr 2003 mit 960.000 Arbeitslosen erreichte (Sinn). Obwohl diese Zahlen die schmerzliche Seite der damaligen Arbeitslosigkeit betonen, kann man der Währungsunion nicht die volle Schuld an den Auswirkungen des Umrechnungskurses geben. Die Neue Zürcher Zeitung erklärt: „Ein anderer Umrechnungskurs hätte zudem wenig daran geändert, dass...viele DDR-Produkte keine Abnehmer mehr fanden, nachdem die Grenzen geöffnet worden waren“ (Eisenring). Es war demnach nicht nur die Währungsunion, sondern auch die Wiedervereinigung selbst und die darauf folgende höhere Nachfrage für westdeutsche Produkte, die Schwierigkeiten für ostdeutsche Fabriken schufen.

Trotz dieser Schwierigkeiten mit dem Umrechnungskurs gab es auch positive Resultate. Marcel Fratzscher erklärt die positive Seite des Umrechnungskurses, folgendermaßen: Er hatte den Vorteil, „dass er vielen Bürgern in Ostdeutschland ein D-Mark-Vermögen verschaffte, das ihnen half die sozialen Härten und hohe Unsicherheit abzumildern“ (624).

Es gibt auch andere konkrete Beweise, dass ein deutlicher Fortschritt in den neuen Bundesländern zustande kam. Zum Beispiel expandierte der Tourismus. So sagt Karl Brenke: „Die Zahl der Übernachtungen im Beherbergungsgewerbe stieg von 1995 bis 2012 um 125 Prozent, und damit fast viermal so stark wie in Westdeutschland“ (944). Neugier über das Leben in der DDR und die wichtige Position der Hauptstadt Berlin halfen der Tourismusindustrie. Berlin hat jedes Jahr an die 140 Millionen Touristen und die Tourismusindustrie macht im Moment ungefähr 7,5% des Volkseinkommens von Berlin aus (Maitland und Newman 200). Die Stadt hat auf die höhere Nachfrage im Tourismus durch das Angebot von neuen Ausstellungen und kulturellen Aufführungen reagiert. Die Nachfrage der Touristen hat zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Industrie geführt.  Außerdem hat der Tourismus auch 255.000 Arbeitsstellen in der Stadt hinzugefügt (Maitland und Newman 201).

Zusätzlich muss man den Hintergrund der DDR als sozialistischen Staat erwägen. Obwohl das Leben in der DDR immer überwacht war und es viel Korruption gab, gab es etwas Positives, was nach der Wiedervereinigung für die ganze deutsche Wirtschaft ausschlaggebend war. Das war die größere Erwerbsquote von Frauen in der Wirtschaft. Wenn man über die Erfolge der Währungsunion und Wiedervereingung nachdenkt, sind es normalerweise die Vorteile für die neuen Bundesländer. Doch die größere Erwerbsquote von Frauen hatte nach 1990 „eine große Auswirkung auch auf die deutsche Wirtschaft und ihre Leistungsfähigkeit...“ und bewirkte auch eine „Senkung der Arbeitslosigkeit von weit über zehn Prozent Anfang der 2000er Jahre auf deutlich unter sieben Prozent heute“ (Brenke et. al 937). Nicht nur profitierten die neuen Bundesländer davon, sondern auch die alten. Es ist in der Tat einfach, diese Tatsache zu übersehen, und nur zu denken, dass die Währungsunion die alten Bundesländer viel gekostet hat. Diese Tatsache zeigt, wie weit die deutsche Wirtschaft seit 1990 gekommen ist.

Es gibt noch mehrere Experten, die die Ergebnisse der Währungsunion loben. Ein Grund für diese positiven Meinungen war das Wachstum von wichtigen Wirtschaftsindikatoren für eine Gesellschaft wie z. B.  das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Bruttoinlandsprodukt misst die ökonomische Produktion oder Leistung eines Landes als den Marktwert von Diensten und Waren, die in einem Jahr produziert wurden. Joachim Ragnitz erklärt, wie sich das Leben der neuen Bundesländer nach 1990 verbessert hat:

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der „neuen“ Länder gemessen am preisbereinigten Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, hat sich zwischen 1991 und 2014 mehr als verdoppelt, die verfügbaren Einkommen je Einwohner sind um die Zweieinhalbfache gestiegen, und auch die Arbeitsmarktlage entspannt sich zusehends (375).

An solchen Daten sieht man klar, dass es jetzt in den neuen Bundesländern zweifelsohne eine bessere Situation im Vergleich zum Jahr 1990 gibt. Die höheren verfügbaren Einkommen in den neuen Bundesländern führen zu größerem Konsum und dieser Konsum hilft der Wirtschaft eines Landes zu wachsen. Diese positiven Auswirkungen wurden nach 25 Jahren deutscher Einheit verwirklicht und zeigen, dass die Gegner zur Zeit der Wende nur mehr Geduld brauchten, bevor sie diese Auswirkungen sehen konnten.

Nicht nur die Daten unterstützen das Argument, dass die Währungsunion die beste Alternative zur Zeit der Wende war, sondern auch Ideen aus der Wirtschaftstheorie. Man muss wissen, dass der Fortschritt zuerst langsam einsetzt. In der Wirtschaftstheorie zeigt die sogenannte „J-Kurve“, dass es am Anfang in der ehemaligen DDR mit der Währungsunion zuerst schlechter ging und dann besser (Lange und Pugh 2). Abbildung 1 illustriert diese Idee. Was bedeutet die J-Kurve im Kontext der ökonomischen Theorie? Sie zeigt graphisch wie: „after a certain policy or investment is made, an initial loss is followed by a significant gain“(„J-Curve Effect“). Nach der Währungsunion gab es zuerst viele Verluste, weil der Umrechnungskurs zwischen der Ostmark und der Westmark höhere Kosten für Firmen in den neuen Bundesländern verursachte. Der Umrechnungskurs „affected the competitiveness of east German companies. It determined the level of their debts and the related burden of interest payments and redemption“(Streit 659). Die Firmenschulden in den neuen Bundesländern waren plötzlich zu groß geworden, und führten zu einer Nachregelungsperiode, an der manche Firmen scheiterten. Doch auf lange Sicht ermöglichte die Währungsunion neue Forschung und Entwicklungen und damit das Überleben und später den Erfolg von manchen Betrieben in den neuen Bundesländern.

J Kurve

Eine zweite wichtige Idee der Wirtschaftstheorie sind die Opportunitätskosten. Man kann die Opportunitätskosten in diesem Sinn erwägen: Was man aufgeben muss, damit man die nächstbeste Alternative erreicht („Glossary“). Zur Zeit der Währungsunion spielten die Opportunitätskosten eine große Rolle. Für ehemalige Auswanderer und Flüchtlinge, die damals im Westen lebten und deren Verwandte im Osten geblieben waren, bedeuteten die deutsche Einheit und die Währungsunion auch Wiedervereinigung mit ihren Familien. Für sie lohnte sich die Währungsunion und ihre Opportunitätskosten. Denn viele Leute waren bereit, wirtschaftliches Wachstum aufzugeben, damit sie mit ihrer Familie wiedervereinigt sein konnten. Man nennt das die Idee der Nützlichkeit. Der Konsum von einer Ware oder Idee kann jemanden zufrieden machen. Man „konsumiert“ Dinge mit der größten Nützlichkeit. So brachte nach der Wiedervereinigung die Zeit mit der Familie, die früher in der DDR geblieben waren, dem Volk mehr Glück oder Nützlichkeit als höhere Löhne oder mehr Produktion.

Durch die Währungsunion bewegte sich die Bevölkerung der wiedervereinigten Bundesrepublik zu einer höheren Indifferenzkurve. Die Bevölkerung musste zwischen größerem wirtschaftlichen Wachstum oder mehr private Zufriedenheit wählen (Abb. 2).

Indifferenzkurve

Wenn man sich entlang der Indifferenzkurve von links nach rechts bewegt, sieht man, dass wirtschaftliches Wachstum aufgegeben werden muss, damit man mehr Zeit mit der Familie verbringen kann.

Obwohl Deutschland wirtschaftliches Wachstum auf unbestimmte Zeit verschob, lohnte es sich, weil heute „die große Mehrheit der Deutschen, gleichgültig woher sie stammen...sich in diesem vereinten Land angekommen und zuhause [fühlt]“ (Gauck). Mehr Zeit mit der Familie und ein Gefühl von Einheit waren und bleiben wertvollere „Dinge“ als vielleicht fünf Prozent mehr Wirtschaftswachstum. Ein gut vereinigtes Deutschland ist nicht nur für Deutschland wertvoll. Denn Deutschland spielt eine wichtige Rolle in vielen umstrittenen Aspekten der Weltpolitik wie der Politik Russlands, der gegenwärtigen Flüchtlingskrise und der Energiewende. Aufgrund der Währungsunion hat Deutschland eine Lehre für andere Länder, die mit wirtschaftlichen Problemen kämpfen.

2015 zum Beispiel war die Griechenlandkrise eines der wichtigsten Probleme für die EU. Obwohl viele Fachleute für einen „Grexit“ stimmten war diese Alternative fast unmöglich. Ein Rückblick auf die Währungsunion hätte mehr Klarheit in der Diskussion um den Grexit geschafft. Manche Experten sind tatsächlich der Meinung, dass die DDR viele Ähnlichkeiten mit Griechenland hatte (Fratzscher 624). Beide Länder hatten vergleichbare Probleme, wie „die ineffizienten staatlichen Institutionen und eine Wirtschaftsstruktur, die im internationalen Wettbewerb nicht überlebensfähig war beziehungsweise ist“ (Fratzscher 624). Man muss sehen, warum ein „Grexit“ die schlimmste Lösung gewesen wäre. Wenn Griechenland eine neue Währung eingeführt hätte, wäre eine solche Währung fast wertlos gewesen. Das bedeutet, dass alle Importe wie z.B. notwendige Medikamente und Lebensmittel zu viel gekostet hätten. Im Unterschied zur DDR hat „Griechenland die Option eines graduellen Anpassungsprozesses gewählt“(Fratzscher 624). Schon vor der „Grexit“- Diskussion erlebte Griechenland die Probleme einer langsameren Währungsunion, die nach der Einführung des Euros am Anfang des 21. Jahrhunderts kamen, und diese Probleme waren schwieriger als die Probleme der neuen Bundesländer mit der raschen Währungsunion. Griechenland hatte auch Probleme mit den Reformen, die von dem Internationalen Währungsfond  umgesetzt wurden mussten.

Obwohl der Angleichungsprozess in Deutschland noch nicht vollendet ist, sieht man, dass es zumindest eine Generation brauchte, bevor deutliche Hinweise über den Erfolg der Union in der Wirtschaft erschienen. Mit Bezug auf die Griechenlandkrise soll man akzeptieren, dass es viel mehr Zeit braucht, bevor der Angleichungsprozess beendet ist. Der Wirtschaftsjournalist Ulrich Schäfer war der Meinung, dass Deutschland nicht für einen „Grexit“ stimmen soll, weil das die Situation nur verschlimmert hätte. In einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung von Sommer 2015 wird der Grund für seine Meinung so zusammengefasst:

Denn bei einem Grexit, selbst einem auf Zeit, müssten die EU-Staaten nicht bloß ein humanitäres Hilfsprogramm auflegen, um die soziale Krise in Griechenland zu lindern, sie müssten bei dem Schuldenschnitt, den es dann gäbe, auch einen großen Teil ihrer Kredite abschreiben. Das träfe vor allem Deutschland als größten Geldgeber (Schäfer).

An diese Erklärung sieht man, wie wichtig es war, dass Griechenland in der Eurozone bleibt, genau wie das ehemalige Ostdeutschland in der Währungsunion mit der ehemaligen Bundesrepublik blieb.

Eine Bewertung der Währungsunion ist in diesem Satz gut zusammengefasst: „Die positiven Seiten des Wiedervereinigungsprozesses werden oft übersehen, die negativen überbetont“ (Ragnitz 394). 2015 war ein Jubiläumsjahr, weil die deutsche Einheit 25 Jahre alt wurde. Am Tag der deutschen Einheit 2015 gab es eine große Feier für diesen Markstein. Die Währungsunion sollte auch bejubelt werden, weil man jetzt die positiven Auswirkungen dieser Union sehen kann. Denn kurz nach der Währungsunion 1990 wusste niemand, wie Deutschland und die Wirtschaft 25 Jahre später aussehen würden.  Aber heute ist die Zukunft von damals angekommen und Deutschland hat sich als ein Land bewährt, dass schwierigen Herausforderungen begegnen kann.

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