Die Dichotomie einer zerstörten Stadt: Figurenrepräsentationen in Die Mörder sind unter uns

Timothy Walker, Kennesaw State University

Der Film beginnt mit dem Epigraph “Die Stadt hat kapituliert.” Nach dem Krieg ist Berlin ganz zerstört - nur ein Überbleibsel der ehemaligen Großstadt. Der Film von Wolfgang Staudte ist über die Restauration einer Stadt und die Komplikationen davon. Dr. Hans Mertens, ein ehemaliger Soldat, und Susanne Wallner, ein Konzentrationslageropfer, sind Mitglieder der Stadt. Sie repräsentieren eine Dichotomie der ruinierten Stadt. Nach ihrer Rüchkehr zur Stadt sehen wir den Kampf zwischen Licht und Dunkel, Optimist und Pessimist, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Staudte benutzt Dr. Mertens und Susanne Wallner in der Dichotomie um verschiedene Perspektiven von der Stadt zu zeigen. Im Film sehen wir “the emotional expanse between optimism and skepticism that many Germans shared” (“Cinema of East Germany”). Durch die zwei Gemütszustände von Dr. Mertens und Susanne baut Staudte die Dichotomie der Stadt auf und erzählt von den Schwierigkeiten der Neuerrichtung einer von Krieg erschütterten Stadt. 

Filmtechnik und die ausgebildete Dichotomie: Dr. Hans Mertens und Susanne Wallner

Am Anfang des Filmes hören wir chaotische und wilde Klaviermusik, die sagt, dass es keinen Frieden für die Geschichte gibt. Die Kameraeinstellung deutet das Gleiche an. In seinem Artikel “Rubble Canyons: Die Mörder sind unter uns and the Western,” sagt Robert Standley: “The opening shot is canted slightly, suggesting to viewers that they are going to be presented with a world that is askew” (132). Dann sehen wir die Trümmer der Stadt und eine Figur, die langsam spazieren geht. Die Figur ist Dr. Hans Mertens. Er sieht schrecklich aus. Seine Person sieht kalt und abgehoben aus. Er raucht eine Zigarette und trägt einen Hut, der sein Gesicht abdunkelt. Staudte setzt Dr. Mertens stragetisch unter die Ruinen. Er benutzt Kinematographie um anzudeuten, dass die Stadt und Dr. Mertens gleich sind. Staudte benutzt effektiv die Synekdoche: Dr. Mertens ist ein Mitglied der Stadt, ein Teil, aber seine Figur wird die ganze Stadt repräsentieren. Nach einer Großaufnahme vom stoischen Gesicht Dr. Mertens lernen wir ein bisschen über seine Perspektive, seine Ansichten über das Leben. Dr. Mertens geht in “Das Moderne Kabarett,” mit einem Schild mit der Aufschrift, “Tanz,” “Stimmung,” und “Humor”. Sein Eintreten dort deutet an, dass er nicht befriedigt und sein Leben desillusioniert ist- er sucht eine Fluchtmöglichkeit.         

Die Kameraeinstellung von Dr. Mertens und dem Kabarett ist plötzlich nebeneinandergestellt mit der Kameraeinstellung von einem sich bewegenden Zug. Später lernen wir, dass der Zug Konzentrationslageropfer zurück zur Stadt transportiert. Eine von den Opfern ist die Heldin der Geschichte, Susanne Wallner. Wir sehen sie erst in einer Ansammlung am Bahnhof. Sie sieht sauber und schön aus. Ihr Mantel ist von heller Farbe und sie fällt in der dunklen Ansammlung auf. In ihrem Gesicht ist ein unheimliches Licht, und eine sehr schöne Musik spielt im Hintergrund. Die Geigenmusik ist aufwühlend und deutet Verlangen, Mitgefühl, und ein tragisches Schönes an. Wie Dr. Mertens, stellt Staudte auch sie unter die Ruinen. In der Dämmerung wandert sie durch die zerstörte Stadt. Im Hintergrund ist die Statue einer Frau mit ihrem Kind und “this pietà stands out as the only intact object in a landscape of destruction” (Baer 33). Susanne ist verbunden mit der Statue, die an Germania erinnert. Deshalb repräsentiert sie die Mutter der Stadt. Sie ist eine Agentin der Veränderung und Restauration. Ihre Anwesenheit ist positiv und optimistisch und im direkten Gegensatz zur Figur Dr. Mertens.      

Als Susanne zu ihrer alten Wohnung geht, trifft sie ihren alten Freund, Herrn Mondschein. Vor dem Geschäft Herrn Mondscheins sehen wir das Spiegelbild Susannes in einem zerbrochenen Spiegel, der andeutet, dass ein Aspekt von Susanne zerbrochen ist, aber auf ihrem Gesicht ist auch ein starkes Licht, das andeutet, dass Susanne einen optimistischen Geist hat. Herr Mondschein informiertSusanne über Dr. Mertens, der jetzt in ihrer alten Wohnung wohnt. Susanne klopft an die Tür und Dr. Mertens kommt sofort. Hier sehen wir das erste Treffen zwischen den zwei Perspektiven der Stadt: “[The] film noir style, which focuses on dark themes such as melancholy, moral corruption, and guilt is reminiscent of German expressionism as is its figurative use of light and dark to reflect the character’s emotions” (“Cinema of East Germany”).  Staudte spinnt die Dichotomie schön, und man kann sie deutlich beim ersten Treffen von Dr. Mertens und Susanne sehen. Als sie in der Diele vor der Wohnung sprechen, wird die Dichotomie sichtbar. Das Gesicht Susannes ist illuminiert obwohl das Gesicht Dr. Mertens im Schatten ist. Die Struktur der Dichotomie wird durch Licht und Schatten dargestellt. Es ist klar, dass der Film “informed by expressionist lighting” (Lessard 10) ist. Dr. Mertens und seine Perspektive sind dunkel obwohl Susanne und ihre Perspektive hell sind. Dr. Mertens bittet Susanne herein, und das Motiv dauert fort als die zwei vor einem zerbrochenen Fenster stehen. Susanne tritt in das Fensterlicht und Dr. Mertens bleibt in der Dunkelheit mit einem Schatten auf seinem Gesicht. Als Dr. Mertens und Susanne vom zerbrochenen Fenster aus über die Stadt schauen, sehen wir, dass beide Figuren beschädigt sind, aber ihre Perspektiven sind ganz verschieden.

Die Stadt, die nicht vergessen kann und die verwundete Pysche Dr. Mertens    

Im Krieg war Dr. Mertens ein Soldat unter der Führung Hauptmann Brückners, der ihm an Weihnachten den Befehl gab polnische Zivilisten zu erschießen. Er ist dem Befehl gefolgt, und nach dem Krieg erlebt er viel Schuld und Traurigkeit für seine Aktionen. Die Figur Dr. Mertens leidet an einer verwundeten Pysche. In einer Konversation über einen Brief zu Brückner, sagt er zu Susanne, “Ich habe nichts vergessen.” Wörtlich meint er, dass er den Brief nicht vergessen hat, aber er meint auch dass er seine schrecklichen Erinnerungen an den Krieg nicht vergessen hat. In ihrem Buch Film Memory in East Germany deutet Anke Pinkert an, dass “[t]he film buttresses this notion of war suffering as pyschologically rather than physically motivated...” (28).  Susanne bemerkt zu Herrn Mondschein: “Es gibt Verwundungen, die nicht sichtbar sind.” Im Film sind körperliche Verwundungen nicht so wichtig wie emotionale Verwundungen, und die zerstörte Stadt ist nur ein Spiegelbild des Gemütszustandes der Figuren. Staudte möchte zeigen, was man nicht sehen kann. Der Film zeigt die Komplikationen des Vergleichs der Gegensätze. Staudte deutet an, dass die Stadt wie Dr. Mertens emotionale Verwundungen hat. Die Ruinen werden umgebaut, aber Staudte fragt “Wird der Gemütszustand der Stadt erneuert?” Mertens kann nicht an eine neue Stadt glauben, weil er seine Kriegserinnerungen nicht vergessen kann, und Staudte glaubt, dass das auch ein Problem für die Stadt ist. 

Dr. Mertens repräsentiert den Teil der Stadt, der nicht umbauen will, und den Teil der keine Hoffnung für die Zukunft hat. Vor dem Krieg war Dr. Mertens Chirurg- seine Beschäftigung war Heilung und Wiederherstellung, aber nach dem Krieg kann er das nicht mehr machen. Er grollt Susanne als sie die Wohnung putzt (ein Akt der Restauration). Er sagt, “Könnten Sie vielleicht die Freundlichkeit haben, Ihre hausfraulichen Passionen auf Ihre Zimmer zu beschränken?” Sein Unglaube an eine neue Stadt ist bekräftigt nach einem Besuch bei Herrn Brückner. Nach dem Besuch wandert er durch die Straßen der ruinierten Stadt, und er sieht nur Ratten. Er geht betrunken zur Wohnung zurück und schreit ironisch auf “Ratten! Ratten! Allerorten Ratten. Die Stadt lebt wieder!” Er kann nicht hoffen, wenn ein böser Mann wie Brückner noch lebt. Dr. Mertens braucht einen Anlass zu hoffen- Susanne wird der Anlass.

Die hoffnungvolle Stadt, Susanne Wallner

Susanne Wallner hat wie Dr. Mertens schreckliche Kriegserinnerungen. Susanne ist ein Konzentrationslageropfer. Als sie nach Berlin zurückkommt, ist sie entschlossen zu leben, obwohl sie zu Herr Mondschein sagt “So schwer, so schwer zu vergessen” (Die Mörder). Arbeit regt das neue Leben Susannes an, und “though an innocent victim of the Nazis, [she] heroically maintains her optimism, [socialist] conviction, and capacity for forgiveness throughout the film” (“Cinema of East Germany”). Von Anfang des Filmes an ist Susanne eine Agentin der Restauration. Sie ist anmutig und freundlich zu Dr. Mertens, und sie hat viel Mitgefühl für ihn. Bei ihrem ersten Treffen sagt sie zu Dr. Mertens, “Ich hoffe, wir werden uns vertragen” (Die Mörder). Dr. Mertens kritisiert fortgesetzt die Freundlichkeit Susannes als sie Ordnung in sein Leben zu bringen versucht.

Staudte benutzt die Figur Susannes wie eine Kontrastfigur von deren Identität die Dichotomie abhängt. Sie repräsentiert den Teil der Stadt, der an eine neue Stadt glaubt. Trotz der Ruinen und Erinnerungen wählt sie Dinge neu zu machen. Wenn Dr. Mertens ägerlich und frustriert ist, ist sie gefasst und beharrlich. Herr Mondschein mahnt Susanne, dass Mertens nicht gut für sie ist. Aber sie sagt das manche Heilungen Geduld, Einsicht und Liebe verlangenEs ist das Mitgefühl Susannes, das Änderung bringt und die motivierende Kraft für die Stadt Berlin. Ihr Mitgefühl ändert auch die Perspektive Dr. Mertens und die Dichotomie beginnt zu konvergieren.

Die Auflösung, die vereinigte Dichotomie, und Hoffung für eine neue Stadt    

Es ist das getreue Mitgefühl Susannes, das Dr. Mertens endlich ändert. Als Dr. Mertens das Mitgefühl Susannes spiegelt, sehen wir das Zusammenlaufen der Dichotomie. Dr. Mertens beabsichtigt Herrn Brückner zu erschießen als sie unter den Ruinen wandern, aber eine verzweifelte Frau, die einen Arzt sucht, betritt die Szene. Herr Brückner erklärt, dass Dr. Mertens ein Arzt ist. Die Mutter bittet ihn darum nach ihre Tochter zu sehen. Er ist einverstanden und folgt der Frau in ihr Haus. Er führt eine Operation am Mädchen durch. Das ist die erste Aktion der Wiederherstellung von Dr. Mertens im Film. Mitgefühl  baut endlich die Heilungsfähigkeit Dr. Mertens wieder auf. Er beginnt zu hoffen, und wenn die Frau erklärt, dass sie so glücklich ist, sagt Dr. Mertens, “Ich bin es auch” (Die Mörder). Dr. Mertens geht zur Wohnung Susannes zurück, wo sie auf ihn wartet. Das Mitgefühl gibt Dr. Mertens Hoffnung und bringt ihn und Susanne zusammen. Er sagt zu Susanne, “Ich liebe dich.” Diese Aussage ist die Erfüllung eines Versprechens, das früher in der Handlung gemacht wurde. Die Filmtechnik zeigt auch das Zusammenlaufen der Dichotomie. Wenn Dr. Mertens neben Susanne liegt und sagt, “Ich liebe dich,” sehen wir ein Licht auf ihren Gesichtern. Im Film ist Licht ein Motiv, das an Susanne angegliedert ist, aber in dieser Szene sind beide im Licht. Der  Moment signalisiert die konvergierenden Perspektiven und den Zusammenschluss der  Dichotomie. Der Film “[exposes] the returnee’s mental instability caused by wartime experience only to resolve it” (Pinkert 29). Wir sehen die Perspektive aufbessern, und als sich die Perspektive von Dr. Mertens ändert, ändert sich auch die Beziehung zwischen ihm und Susanne. Staudte benutzt die sich verbessernde Beziehung zwischen Dr. Mertens und Susanne um die konvergierende Dichotomie zu zeigen. Er erkennt die Schmerzen der Stadt und die Schmerzen der Mitbürger der Stadt (Dr. Mertens und Susanne) an, und er sagt, dass es Hoffung für eine neue Stadt gibt in Mitgefühl und Liebe.

In der letzten Szene bedroht Dr. Mertens den Frieden und die Absicht ein neues Leben mit Susanne zu schaffen. Dr. Mertens sucht Rechtfertigung im Mord an Herrn Brückner. Susanne hält Mertens auf und überzeugt ihn, dass er Herrn Brückner der Landesbehörde übergeben muss. Susanne konserviert die vereinigte positive Perspektive zwischen Dr. Mertens und ihr, und erhält aufrecht, dass Mitgefühl und Liebe allein die Stadt neu machen werden, nicht Mord. Mertens und Susanne umarmen sich- ein letztes Bild der vereinigten Dichotomie und Hoffung einer neuen Stadt.

Der Abschluss      

Die Mörder sind unter uns ist ein monumentaler Film in der deutschen Geschichte. Staudte benutzt brillant die Figuren in seinem Film um die verschiedenen Perspektiven über die Stadt, als Dichotomie, zu zeigen. Er benutzt besonders Kinematographie und Synekdoche um die Dichotomie anzulegen. Die Synekdoche wird ein kraftvolles Konzept im Film. In Mertens und Susanne kündigt Staudte ein Vorbild für Restauration an. Staudte erklärt seinem Publikum durch seinen Film, dass Restauration möglich ist und die Mitbürger einander bei dem Aufbau helfen müssen. Die Dichotomie ist ein Weg über die Nachkriegsfrustrationen und Ängste seines Publikums zu berichten. Der Film erkennt die Schmerzen des Nachkriegspublikums an und gibt ihnen Hoffnung und Perspektive für eine bessere Zukunft.

Works Cited: 

Baer, Hester. Dismantling the Dream Factory: Gender, German Cinema, and the Postwar Quest for a New Film Language. Portland: Berghahn Books, 2009.

“Cinema of East Germany.” DEFA Film Library at the University of MassachusettsAmherst. 16 November 2009. <http://www.umass.edu/defa/filmtour/sjmurder.shtml>. 

Die Mörder sind unter uns. Dir. Wolfgang Stuadte. Perfs. Ernst Wilhelm Borchert, Hildegrad Knef. DEFA, 1946.

Lessard, John. “Iron Curtain Auteurs.” Cineaste 34.3 (2009): 5-11.

Pinkert, Anke. Film and Memory in East Germany. Bloomington: Indiana UP, 2008.

Shandley, Robert. “Rubble Canyons: Die Mörder sind unter uns and the Western.” German Quarterly 74.2 (2001): 132.

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